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Traurednerin werden - Woher kam die Idee?
2021 – ich war selbstständig als Bloggerin, Influencerin und Content Creatorin tätig. Ein toller Job, den sich viele Menschen sogar wünschen und vielleicht als Traumjob titulieren. Doch mir wurde klar, dass ich eines daran sehr vermisste: “echte” Menschen. Non digital. Menschen, die ich sehe, höre, rieche – ohne Bildschirm dazwischen. Zurückblickend auf meine Vergangenheit als TV-Redakteurin stellte ich fest, dass ich besonders gerne an das damalige Format “Nur die Liebe zählt“ mit Kai Pflaume denke, für das ich zwei Staffeln arbeitete. Dort durfte ich Menschen zueinander bringen, überraschen und Emotionen transportieren. Zufällig sah ich unter einem Posting auf Instagram, bei dem nach Traumberufen gefragt wurde, dass eine Person “Trauredner” drunter geschrieben hatte.
Die drei Aspekte aus “Nur die Liebe zählt”, Geschichten echter Menschen, die mir im Job fehlten und dem Kommentar unter dem Posting setzten sich wie ein Puzzle in meinem Kopf zusammen: Ich wollte Traurednerin werden.
Entschluss gefasst. Aber wie werde ich nun Traurednerin?
Erst erzählte ich meinem Umfeld davon. Zugegeben, ich bin eigentlich ein introvertierter Mensch. Ob ich mich wohl fühle, vor einer große Gesellschaft zu sprechen, war noch völlig unklar. Dennoch waren meine Liebsten begeistert von meiner Idee, Traurednerin zu werden, und konnten sich gut vorstellen, dass dies ein Beruf ist, der mich gänzlich erfüllt und zu mir passt.
Freie Trauungen werden momentan stark nachgefragt. Standesamtliche Trauungen sind zwar nötig, um vor dem Gesetz als Eheleute zu gelten, haben aber oft etwas Unromantisches, Bürokratisches. Kirchliche Trauungen kommen mehr und mehr aus der Mode und werden durch eine emotionale, humorvolle und auf das Paar persönlich abgestimmte Rede gerne ersetzt. Bei freien Trauungen kann sich das Paar die Location dafür frei auswählen. Theoretisch ist auch der eigene Garten machbar.
Ich machte mich also auf die Suche im World Wide Web, um herauszufinden, wie ich freie Rednerin werden kann. Es gibt unter anderem eine von der IHK-zertifizierte Weiterbildung zum Hochzeitsredner. Außerdem bieten einige Hochzeitsredner/innen, die selbst schon lange in diesem Berufsfeld sind, Trauredner-Seminare an. Von einer lieben Followerin wurde mir Norman Thalwitzer von “die wortmanufaktur” (zum Interview mit ihm) empfohlen, der bereits seit einigen Jahren im Business ist und nun mit seinem Kollegen Christan Fischer aka “der traufischer” auch Seminare anbietet.
Traurednerin werden: Vorstellungen vs. Realität
In meinem naiven Glauben beinhaltete das Traurednerin werden in erster Linie, ein verliebtes Paar kennenzulernen, mit beiden durch ihre Beziehung “zu reisen” und sich auszutauschen. Daraus würde ich dann eine emotionale Rede schreiben und dem Paar dadurch eine noch emotionalere Trauung bereiten. Ich hatte den Fokus darauf, Menschen in mein Leben und mein Herz zu lassen, die ich vorher noch nicht kannte und die ich gerne ein kleines Stück auf ihrem Weg begleiten wollte.
All diese Aspekte kommen natürlich im Berufsfeld eines Hochzeitsredners vor und sind der Kern dieses Jobs, aber es kommen viele weitere Aufgaben hinzu. Das lehrte mir das Seminar von Norman und Christian.
Zum Ablauf einer freien Trauung und zu den Aufgaben einer Traurednerin zählen:
- Kennenlerngespräch mit dem Paar (ca. eine Stunde)
- Bei Sympathie beider Seiten: Buchung
- Traugespräch (ca. 3-4 Stunden)
- Kontaktaufnahme zu Trauzeugen, Familie, Hochzeitslocation, Band und/oder DJ (Ton abklären!!!), Fotograf
- Auswertung der Einzel-Fragebögen des Paars
- Aus all den Resultaten eine Traurede schreiben
- Am Hochzeitstag mind. eine Stunde vorher an der Location sein
- Sitzanordnung kontrollieren, ggf. verbessern, mit Band oder DJ sprechen, Fotograf briefen
- Traurede halten und hoffen, dass sie allen gefällt, nach dem Empfang ist “Arbeitsende”
Vielleicht könnt ihr anhand der Liste nachvollziehen, warum Trauredner ein Honorar aufrufen, mit dem man möglicherweise nicht rechnet. Sie stecken viel Zeit, Einfühlungsvermögen und vor allen Dingen Liebe in eure Hochzeit.
Traurednerin werden: Meine Erkenntnis
Ich lernte im eintägigen Basis-Seminar nicht nur zwei tollen Seminarleiter kennen, sondern auch einige sympathische Frauen, die den gleichen Wunsch wie ich hegten und Traurednerin werden wollten oder sogar schon als solche tätig waren. Wir kannten uns vor dem Seminar nicht und standen uns am Abend so nah, als wären wir uns schon ewig im Austausch. Ich schaffte es sogar, über meinen introvertierten Schatten zu springen, und als erste eine Stegreifrede zu halten. Im Normalfall hätte ich mich sowas nie getraut. Es war ein wundervoller Tag vollgepackt mit Informationen und Herzlichkeiten.
Am darauffolgenden Tag, als ich alles etwas verarbeitet hatte, sprach ich mit Patrick über das Thema Traurednerin werden. Ich erklärte ihm, dass es einen relativ großen zeitlichen Aufwand für mich bedeutet, ich viele Termine mit dem Paar und Angehörigen zu Abendzeiten haben würde und Hochzeiten natürlich vorwiegend am Wochenende stattfinden (was mir natürlich vorher schon klar war). Gemeinsam kamen wir zum Entschluss, dass es sich für mich nicht “lohnt”, diesen Traumberuf hauptberuflich auszuüben und mit 100% Power in Marketing und Imagebildung einzusteigen. Ich würde zwar die gemeinsame Familienzeit mit Patrick und den Kindern tauschen gegen einen Job, der mich vielleicht erfüllt, mein Herz sagte mir aber ganz klar, dass ich dies nicht möchte. Zumindest nicht, so lange die Kinder noch klein sind.
Was aber klar ist: Ich möchte und werde dieses Jahr eine Traurede halten. Ich habe mir vorgenommen, meine Komfortzone zu verlassen, all meine Emotionen zusammen zu bündeln (und davon habe ich sehr viele) und mindestens ein Paar auf diesem besonderen Weg zu begleiten.
Möchtet ihr also bald heiraten und denkt, dass ich die perfekte Traurednerin für euch bin, dann meldet euch bitte unter laura@willkommen-bei-den-wues.de. Ich suche besondere Paare, die ich begleiten darf, einfach, weil ich es mir wünsche und es ein Traum von mir ist. Mein Honorar werde ich zu 100% an eine gemeinnützige Organisation spenden. Ich freue mich auf eure Nachrichten!
Interview: 5 Fragen an Trauredner Norman Thalwitzer
Norman Thalwitzer ist selbst Vater von zwei Söhnen und arbeitete vorher als Journalist, Life Coach und Pokerprofi. Er lebt mit seiner Familie in Düsseldorf und hält mittlerweile bis zu 70 Traureden im Jahr. In Deutschland und weltweit.
Wie kam es dazu, dass du Hochzeitsredner geworden bist?
Als ich mit meiner Frau aus London zurück nach Düsseldorf zog und wir eine Familie gründeten, wollte ich gerne meine Poker-Karriere an den Nagel hängen und machte mich als Life Coach selbstständig. Schnell merkte ich, dass ich die 1:1-Coaching-Situationen gar nicht so präferierte, sondern es bevorzugte, mehr Menschen zu erreichen. Komischer Weise war ich vorher eher ein Denker, kein Mensch, der gut vor einer größeren Gruppe meine Gedanken vorsprechen konnte. Doch weil ich mich selbst herausfordern und es erlernen wollte, suchte ich nach Rednerclubs und wurde überrascht: Die Toastmasters, einer der größten Clubs, war in Düsseldorf ansässig. Ich meldete mich sofort an und lernte dort, Vorträge zu halten, für die ich sehr positives Feedback aus allen Reihen bekam. Ich überwand meine Angst und entdeckte dadurch mein eigentliches Talent. Durch Zufall kam es dazu, dass Freunde von uns mich fragten, ob ich ihr Hochzeitredner sein möchte. Das war DIE Challenge und Chance für mich! Und soll ich dir was sagen? Die Hochzeit war ein wahres Fest. Bei der abendlichen Dankesrede des Paares fanden sie lobende Worte für mich. Mein absoluter Gänsehautmoment: 100 Menschen standen von ihren Plätzen auf und jubelten mir zu. Da war mir klar: das ist der Job, den ich immer machen wollte, für den ich brenne.
Was macht dir besonders viel Spaß an deinem Job?
Der wichtigste Faktor für mich ist: ich arbeite mit Menschen. Mit Menschen, die verliebt sind ins Leben, in die Liebe und in die Idee einer wunderschönen Hochzeit. Diese Menschen suchen nicht irgendwen, sondern jemanden, der perfekt zu ihnen passt, der sich auf sie einlässt und der gemeinsam mit ihnen den schönsten Tag in ihrem Leben gestalten möchte. Ich habe darin eine Arbeit für mich gefunden, die sich nicht wie Arbeit anfühlt. Ich freue mich auf jedes Paar, auf jede Lebens- und Liebesgeschichte und auf echte Emotionen. Ich öffne auch Menschen, die vielleicht nicht so extrovertiert sind, das Tor zu einer wundervollen, gefühlvollen und humorvollen Hochzeit, die sie sich selbst eventuell so gar nicht hätten vorstellen konnten. Einzigartige Geschichten zu erzählen ist meine größte Passion. Es kommt so viel Wertschätzung und Dankbarkeit vom Paar und von allen Angehörigen zurück. Wenn ich nach einer Hochzeit nach Hause fahre, dann sprühe ich vor Lebensfreude, drehe das Radio auf und singe laut mit. Es macht mich einfach glücklich.
Was macht eine Hochzeitsrede besonders?
Die Frage ist einfach beantwortet: unerwartete Überraschungen. Viele Paare haben einen gewissen Ablauf im Kopf, aber wenn man diesen durchbricht, dann wird die Trauung zu einem ganz besonderen Moment. Ich spiele gerne mit der Psychologie von Paaren, egal in welcher Geschlechterkonstellation, und mache Zeit- und Gedankensprünge (zum Beispiel “Wie hat die Braut/der Bräutigam das Kennenlernen wahrgenommen?”). Das besondere daran ist auch, dass das Paar vorher gar nicht weiß, welche Elemente ich aus dem Traugespräch und den Fragebögen dann wirklich bei der Hochzeitsrede verwende. Ich schreibe die Story im übertragenden Sinne mit meiner eigenen Handschrift, die meistens aus Humor besteht. Das lieben meine Paare und es lockerte die gesamte Hochzeitsgesellschaft auf.
Gibt es auch skurrile Ideen oder Geschichten?
Wenn es verrückt-positive Ideen sind, versuche ich diese mit einzubinden. Mittlerweile habe ich aber die Erfahrung und weiß, was auf einer Hochzeit gut funktioniert und was gar nicht geht. Daher versuche ich, die Paare an die Hand zu nehmen und sie damit durch ihre perfekte Hochzeit zu führen. Skurrile Geschichten gibt es ohne Ende. Eines Tages werde ich ein Buch darüber schreiben. Als Trauredner taucht man in das Leben anderer Menschen ein. Da passieren einfach lustige, absurde, verrückte Dinge. Es gab sogar mal ein Paar mit so vielen Stories, dass ich dachte, es wäre ein Prank bei “Versteckte Kamera”.
Wie schaffst du es, deinen “Wochenend-Job” der Familie überein zu bringen?
Es kommt stark darauf an, welches Familienmodell man lebt. Von Mai bis Oktober bin ich freitags und samstags immer unterwegs. Sonntags und montags sind dann unsere Familientage. Als Redner bin ich natürlich nicht so lange auf der Hochzeit, wie zum Beispiel DJs oder Fotografen, das hat seine Vorteile. Unter der Woche habe ich dafür die Möglichkeit, dass ich alle meine Termine so legen kann, dass ich mit meiner Frau und den Jungs sehr viel Zeit verbringen kann. Durch meine Pokerkarriere bin ich eine echte Nachteule, so dass ich meine Reden meistens nachts schreibe, wenn die Kids im Bett sind. Mein Job ist für mich also absolut familienkompatibel.
Weitere Herzensempfehlungen für eure Traurede:
Sinja Olding von “die eloquentin”
Carolin Rattmann von “Mit Herz und Feder”
Melanie Schröter von “Unsere Traurednerin”
Vivien Fernandez von “Freie Rednerin Vivien”
Miriam Valdivieso von “MiriValdi”