Au pair hilft Kind beim Anziehen der Schuhe

Au pair Erfahrungen: Unser Jahr mit Jamie

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nser Erfahrungsbericht über das Leben mit einem Au-pair. Wie sind wir auf die Idee gekommen? Wer hat uns bei der Vermittlung geholfen? Und: wie fühlt es sich an, wenn ein fremder Mensch aus einer anderen Kultur plötzlich mit in den eigenen vier Wänden wohnt? Hier berichte ich über eine wundervolle Zeit und den Zugewinn eines neuen Familienmitgliedes.

Betreuungsengpass - was tun?

Als ich nach der Elternzeit Anfang 2020 wieder mit 20 Stunden in meinen Job einsteigen wollte, war klar: wir haben ein Betreuungsproblem. Die damalige Tagesmutter unseres Sohnes bot nur 25 Stunden Betreuung an, was für die erste Zeit völlig reichte. Doch da ich eher in meinen Job zurückkehren sollte, hatten wir einen Betreuungsengpass. Mit Anfahrt zu meinem Arbeitgeber und jeweils fünf Arbeitsstunden an vier Tagen hätte dies nicht ausgereicht. Deshalb entschieden wir uns auf Anraten einer lieben Freundin Ende 2019, uns auf die Suche nach einem Au-pair zu machen.

Au pair aufnehmen: Die ersten Schritte

Aber wie findet man nun einen Menschen, der zur Familie passt, dem man die eigenen Kinder anvertraut, mit dem man zusammen wohnen möchte? Ich versuchte es erst über ein Portal, auf dem sich Au-pair-Interessierte und Gastfamilien selbst ein Profil anlegen und sich bei Gefallen gegenseitig Nachrichten schreiben konnten. Leider bekam ich von passenden Profilen keine Antwort und war als Au-pair-Erstling verunsichert, ob ich den Ablauf des Visumsantrags und vertraglichen Regelungen korrekt bewältigen würde. Auf Anraten meiner Freundin, die schon einige Au-pairs in ihrem Haushalt hatte, wendete ich mich an eine Agentur. 

Unser Au Pair Mädchen Jamie

Bei der Au pair-Agentur fühlte ich mich gut aufgehoben

Nachdem ich einen Fragebogen ausgefüllt und ein Foto unserer Familie verschickt hatte, ging es los. Es kamen über die Agentur Mails von Bewerbern und Bewerberinnen aus den verschiedensten Ländern und Kulturen. Darin waren ein ausgefüllter Infobogen, Fotos und ein Video. So konnten wir uns auf Anhieb einen Überblick darüber verschaffen, wen wir sympathisch fanden. Ein Mädchen aus Bschkek, Kirgisistan fand ich direkt sehr authentisch und nett. Ihre Handynummer war im Infobogen vermerkt. So konnte ich Kontakt zu ihr aufnehmen und einen Videocall vereinbaren. 

Das erste Gespräch mit Jamie führte ich alleine. Man merkte, dass sie sehr aufgeregt war. Da sie bereits einen einjährigen Englischkurs in Malaysia absolviert hatte, redeten wir in erster Linie Englisch miteinander. Nach dem Videocall war mir eigentlich sofort klar, dass Jamie unser Au-pair werden sollte und auch nach zwei weiteren Gesprächen mit Bewerberinnen blieb dieses Gefühl. Ein letzter Call gemeinsam mit Patrick und eine Nacht, die Jamie über ihre Entscheidung schlafen sollte, führten dazu, dass wir uns am nächsten Tag auf ein gemeinsames “Jahr bei den Wues” einigten. 

Familienausflug mit Au pair.
Unser Au-pair hat uns oft zu Wochenendausflügen begleitet, wie hier in den Landschaftspark Nord.
Au Pair spielt Playmobil mit einem Kind
Jamie und unsere Tochter spielen gerne zusammen mit der Playmobil Tierarztpraxis.


Was kostet ein Au-pair und wie läuft der Visumsantrag ab?

Als Basis-Taschengeld bekommt ein Au-pair 280,00€/Monat* (*Stand Januar 2021). Zusätzlich sind die Gasteltern verpflichtet, dem Au-pair 70€/Monat für einen Sprachkurs zu zahlen und natürlich zu ermöglichen, diesen zu besuchen. Bis zu 30 Stunden darf das Au-pair arbeiten und soll an den Wochenenden frei haben bzw. mindestens einen Tag pro Woche. Die Gastfamilie trägt natürlich “Kost und Logis” und die Versicherungskosten (liegen bei circa 50-80€/Monat). Außerdem haben wir Jamie eine deutsche Prepaid-Karte fürs Mobiltelefon besorgt und die Fahrten mit Bus und Bahn zur Sprachschule übernommen. 

Aber nochmal zurück: Nachdem ich also der Agentur mitgeteilt hatte, dass wir uns mit Jamie geeinigt hatten, sendeten sie mir sämtliche Unterlagen für den Visumsantrag zu. Diese mussten bis zum Termin Ende Januar bei der deutschen Botschaft in Bischkek zusammen gestellt werden. Dazu gehörten ein Vertrag mit uns als Gastfamilie, eine Einladung an Jamie, unsere Personalien und die Bestätigung der Au-pair-Versicherung. Glücklicherweise wurde Jamies Visum drei Wochen nach ihrem Termin bestätigt und so konnte sie am 25. Februar 2020, zwei Wochen vor dem Lockdown, von dem wir vorher natürlich noch nichts wussten, einreisen. Die Flugkosten trägt das Au-pair, wurde uns von der Agentur gesagt.

Au pair Erfahrungen: Ankunft und die ersten Tage

Eine total aufgeregte Tochter und ich holten Jamie vom Flughafen Köln/Bonn ab. Das Wetter war typisch für den Februar: Nass/kalt, aber nach Landung guckte kurz mal die Sonne raus. Jamie kam mit ihrer Freundin als letzte aus dem Arrival-Bereich. Wir begrüßten uns herzlich, ihr war die Aufregung aber auch deutlich anzumerken. Angekommen in unserem Zuhause habe ich ihr zuerst ihr Zimmer und das Bad gezeigt und wo es Wasser und Snacks gibt. Dann hat sie sich erst einmal zurück gezogen und den Jetlag ausgeschlafen. 

Am nächsten Tag erklärten wir ihr gemeinsam unseren Alltag und was zukünftig zu ihren Aufgaben als Au-pair gehörte: Das Spülmaschineausräumen und Frühstückstischdecken am Morgen und unseren Sohn zur Tagesmutter zu bringen. Anziehen und Fertigmachen wollten wir gerne weiterhin selbst machen, so dass Jamie dann bis nach Betreuungsschluss erst einmal frei hatte – wäre da nicht Corona gewesen. Ich nahm sie aber im gesamten Alltag mit, damit sie sehen konnte, wie unser Leben läuft: wo man Brötchen kauft, Geld ziehen kann, wo die Kinder betreut werden, usw. Am 16. März 2020 war der erste Tag des ersten Lockdowns und ich wollte Anfang April wieder in meinem alten Job starten. Also lief Jamie die letzten beiden Wochen im März noch parallel mit mir und lernte, was die Kids gerne unternehmen, spielen, basteln. 

Ab meinem Jobstart im Homeoffice (Patrick war in der Zeit auch komplett zuhause) hatten wir also das Glück, dass ich vormittags in unserem kleinen eingerichteten Büro im Schlafzimmer arbeiten konnte und Jamie sich um die Kinder kümmerte. Nachmittags konnte ich dann ganz normal Zeit mit ihnen verbringen. Ich weiß nicht, wie wir es ohne Jamie geschafft hätten. In dieser sehr intensiven Zeit wuchsen wir schnell zusammen und sogar unser Sohn, der erst fremdelte, ließ sich bald auf Jamie ein. Beim täglichen gemeinsamen Mittagessen (wir haben uns mit dem Kochen zu dritt abgewechselt) oder abends bei lauschigen Sommerabenden auf der Terrasse erzählte Jamie von ihrem Leben in Kirgisistan und wie sehr sich die Kultur und Einstellung zu unserem westlichen Verhalten unterscheidet. Ihr Gefühl, dass sie gerne in Deutschland bleiben wollen würde und ihr das Leben in unserer Geschlechter gleichgestellten Kultur sehr gefällt, wurde immer intensiver.

Nein, Jamie hat uns nie gestört

Wer sich fragt, ob ein Au-pair im eigenen Haus abends zum Beispiel mit auf der Couch sitzt oder wilde Partys veranstaltet oder nachts erst spät nach Hause kommt: Ich habe natürlich nur auf Basis meiner Au Pair Erfahrungen keine pauschale Antwort dafür. Jamie hat sich abends meistens auf ihr Zimmer zurück gezogen und mit ihrer Familie oder Freunden telefoniert, gelernt oder gelesen. Wir haben nur verabredete Film- oder Fernsehabende gemacht oder gemeinsam im Sommer auf der Terrasse ein Glas Wein getrunken. Am Wochenende hatte sie immer frei und hat sich oft (wenn möglich) mit ihrer Freundin getroffen. Jamie musste bei uns nie putzen und nur ihr eigenes Zimmer sauber halten. Sie hat jedoch immer beim Aufräumen geholfen, so wie wir es alle auch nach dem Essen oder Spielen machen. Das Zusammenleben mit ihr war wirklich unkompliziert und sie hat uns nie gestört.

Gemeinsamer Fernsehabend
Filmabend am 1. Weihnachtstag
Au pair hilft Kind beim Anziehen der Schuhe
Jamie und unser Sohn sind dicke Freunde geworden.


Au Pair: Eine Mischung aus großer Tochter, Babysitterin und Freundin

Mit unserer Intuition nach dem ersten Videocall haben wir nicht falsch gelegen. Jamie ist uns direkt ans Herz gewachsen, hat über das gesamte Jahr einen großartigen Job gemacht und uns niemals enttäuscht oder im Stich gelassen. Sie ist und war den Kindern eine treue Freundin und Spielgefährtin, eigentlich eine große Schwester. Auch wir haben sie immer wieder unterstützt (als sie zum Bespiel ihren Rucksack mit sämtlichen Dokumenten verloren hatte), natürlich immer völlig gleichwertig behandelt und ihr in schwierigen Situationen geholfen. 

Für unsere Kinder war das Jahr mit ihr eine große Bereicherung und unser Mini wird ein Leben ohne Jamie nicht mehr kennen, immerhin hat er ein Jahr von 2,5 Jahren mit ihr in unserer Familie verbracht. Mein Herz wird schwer, wenn ich daran denke, dass die Zeit bald endet. Jamie hat sich dafür entschieden, vorerst in Deutschland zu bleiben. Leider, und das bedauern wir sehr, dürfen Au-pairs gesetzlich nicht in der Gastfamilie wohnen bleiben und müssen sich einen neuen Wohnort suchen. 

Jamie möchte ab Anfang März ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Kindergarten beginnen, bei deren Vermittlung wir sie unterstützt haben. Ein kostenloses Zimmer hat sie bei einer lieben Freundin gefunden. Sicherlich wird Jamie dennoch gerne wieder in ihr “Zuhause”, zu uns, ihrer deutschen Familie, zurückkehren und Zeit mit uns verbringen. 

Einmal Au-pair, immer Au-pair?

Tatsächlich habe ich in den aktuellen Coronazeiten Sorge, dass ich es mit Homeschooling und Kleinkind, Job und Haushalt nicht alleine schaffe, da Patrick einen Vollzeit-Job hat. Auch wenn er aktuell im Homeoffice ist, kann er sich nicht immer bzw. nur in wenigen Ausnahmen am Tag Zeit für die Familie nehmen. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, erneut ein Au-pair aufzunehmen. 

Jamie hat eine Bekannte aus Kirgisistan, die gerne ein Jahr in Deutschland verbringen würde. Wir haben schon miteinander gesprochen und denken, dass sie gut zu uns passen wird. Im März hat sie ihren Termin bei der deutschen Botschaft und wir hoffe, sie kann Anfang April einreisen. Doch eines ist klar: Jamie wird niemand ersetzen können. Und das wollen wir auch nicht. Sie bleibt Teil unserer Familie und ist immer herzlich Willkommen bei den Wues.

(Dieser Artikel über unsere Au pair Erfahrungen ist in Zusammenarbeit mit Jamie entstanden. Sie hat alle Texte gelesen und Fotos freigegeben. Ohne ihre Erlaubnis hätte ich das natürlich nicht veröffentlicht.)

Update Oktober 2021: Nachdem wir leider mit Jamies Bekannten nicht zusammengepasst haben und sie uns in gegenseitiger Absprache ohne böses Blut verlassen hat (mehr dazu gibt es in der Podcast-Folge “Yes or no? Unsere Au-pair-Erfahrungen”), haben wir uns noch einmal an die Agentur gewandt. Georgina aus Kenia ist seit Oktober 2021 bei uns und bereichert unsere Familie. Die Kinder mochten sie vom ersten Moment an und es hat uns gezeigt, dass das Projekt Au-pair für uns ein absoluter Zugewinn ist.

Update Oktober 2022: Das Jahr mit Georgina ist zu Ende. Tränenreich haben wir uns voneinander verabschiedet. Zum Glück bleibt uns Georgina in Köln erhalten. Sie macht eine Ausbildung zur Pflegefachkraft und wird uns hoffentlich oft besuchen. Lina aus Kolumbien ist seit ein paar Tagen bei uns und wir freuen uns auf ein spannendes Jahr mit ihr.

Update August 2024: Wir hatten ein wundervolles Au-pair-Jahr mit Lina. Jennifer aus Uganda ist seit Oktober 2023 bei uns. Es ist ihr anzumerken, dass sie den bislang größten Cultureclash aller Au-pair-Mädels hatte. In ihrer Kultur haben Kinder und Frauen recht wenig Mitspracherecht, was ihr den Start in unser Leben nicht einfach gestaltete. Sie kann ihre erlernten Muster auch nach neun Monaten noch nicht ganz ablegen, lernt aber langsam, dass hier in Deutschland auch ihre Meinung zählt und sie wichtig ist. Da wir uns aktuell den Alltag ohne ein Au-pair als Backup nicht vorstellen können, haben wir über die Agentur Besondere Sterne ein tolles Mädchen aus Indien gefunden, die uns hoffentlich ab Oktober unterstützt. Mehr dazu werde ich bald berichten.

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